So baust du den Spannungsbogen in deinem Roman auf

Wie gut du den Spannungsbogen deiner Geschichte ausgearbeitet hast, entscheidet darüber, wie interessant sich die Handlung liest. Hier liegt auch das Hauptargument fürs Plotten: Der ideale Spannungsbogen sorgt dafür, dass sich die Geschichte stetig weiterentwickelt, anstatt auf der Stelle zu treten, und in den richtigen Momenten an Spannung gewinnt bzw. abnimmt. Viele unerfahrene Autor:innen erschaffen einen ganzen Haufen unwichtiger Details und langatmiger Szenen, die dem Erzähltempo eher schaden. Auch zu viel Spannung und Action machen es dem Leser schwer, der Handlung zu folgen.

 

Wie du es schaffst, dass dein Roman die Leser:innen im richtigen Maß fesselt, erfährst du jetzt. Los geht’s:

 

 

Ein strukturierter Roman lässt sich in vier etwa gleich lange Teile unterteilen, die je ca. acht Szenen enthalten. (Ob es wirklich acht werden, hängt von der Länge der Geschichte ab und ob die Handlung so viel Material hergibt.)

Die 4 Kernelemente des Spannungsbogens

Akt 1 (Exposition):

Zu Beginn der Geschichte steht die Ausgangsposition, die in die Handlung einführt: Um wen geht es? Wer ist die Hauptfigur bzw. wer sind die Hauptfiguren? Wie sieht ihr/sein Leben aus, bevor es so richtig losgeht? Wo und wann befinden wir uns? Der Anfang der Geschichte verläuft meistens ruhig und konzentriert sich auf die Vorstellung der Charaktere und deren Lebenssituation = Setting.

 

Tipp: Entscheidest du dich dafür, dein Buch mit einem prägnanten Prolog (Hook) zu beginnen, z. B. mit einem Mord oder einer Entführung, befindet sich die Spannung kurzfristig oben und flacht zu Beginn des ersten Kapitels sofort ab. Eine spannende Hook dient dazu, den Leser bereits zu Anfang des Romans zu fesseln und einen Hinweis auf das Genre sowie den zentralen Konflikt sichtbar zu machen.

 

Am Ende des ersten Teils (also nach ca. 25 % des Buches) steht der erste kleine Höhepunkt, der das Leben der Hauptfigur entscheidend verändert. Der Protagonist wird mitten ins Geschehen geworfen und muss sich mit dem zentralen Konflikt befassen, da ihm andernfalls der Worst Case droht.

 

Akt 1 klärt folgende Fragen:

 

  • Wer ist die Heldin/der Held der Geschichte?

  • Welche Verletzung trägt die Figur mit sich herum bzw. wie wirkt sich diese Verletzung auf ihr jetziges Leben und Verhalten aus? Wie versucht er/sie damit klarzukommen?

  • Welches Leben lebt der Held, bevor die Geschichte so richtig losgeht?

  • Was sind sein größter Wunsch und seine größte Angst?

  • Wo spielt die Geschichte und welche Atmosphäre umgibt diesen Ort?

  • Wer ist der Antagonist, und was hat er mit der Hauptfigur zu tun? (Bei Liebesromanen ist der Held oftmals gleichzeitig der Antagonist, etwa weil er keine Liebe zulassen kann und erst seine Ängste besiegen muss, bevor es zu einem Happy End kommt.)

  • Wer sind die Nebencharaktere, die die Hauptfigur begleiten und an ihrer Seite stehen? (Achtung: Manchmal trifft die Figur die wichtigen Nebenfiguren erst während ihrer Reise in Akt 2.)

  • Worin besteht der zentrale Konflikt und damit die Hauptfrage des Romans?

  • Welche Hindernisse (innerlich und äußerlich) stehen der Figur im Weg?

  • Was steht auf dem Spiel? Was würde passieren, wenn der Protagonist scheitert?

Akt 2a (Steigerung):

Akt 2a und 2b machen den längsten Teil des Buches (ca. 50 %) aus. Nachdem am Ende von Akt 1 bzw. am Anfang von Akt 2a dem Protagonisten etwas Lebensveränderndes widerfahren ist, wird er nun direkt auf den zentralen Konflikt gestoßen. Der Held erlebt eine Transformation seines bisherigen Lebens. Was er bisher für wahr und richtig gehalten hat, wird infrage gestellt. Nicht selten entdeckt er Fähigkeiten an sich, von denen er zuvor nichts wusste, trifft zum ersten Mal auf seinen Seelenverwandten oder erfährt von einer anderen Welt, die parallel zu seiner eigenen existiert. Vielleicht wird er sich erstmals einer Bedrohung bewusst, vor der er seine Familie beschützen muss, oder muss einen Mord aufklären. In jedem Fall ist es ihm von nun an unmöglich, sich nicht mit dem Antagonisten bzw. dem zentralen Konflikt zu beschäftigen, da nur er den Worst Case verhindern kann.

 

Nun wird sich der Protagonist allmählich seiner (inneren und äußeren) Konflikte bewusst, weiß aber noch nicht, wie er mit ihnen umgehen, geschweige denn eine Lösung für den zentralen Konflikt finden soll. Während er sich von der Situation überwältigt und oftmals einsam fühlt, treten Nebenfiguren auf den Plan. In Form von Mentoren und Freunden helfen sie dem Helden, sich in seiner neuen Lebenswelt zurechtzufinden und auf seine Aufgabe vorzubereiten. Je weiter die Geschichte voranschreitet, umso größer werden die Hürden und Tests, mit denen er sich konfrontiert sieht. Diese „Tests“ sind so ausgelegt, dass sie alte Wunden aus seiner Vergangenheit triggern und ihn dazu animieren, sich auf der persönlichen Ebene weiterzuentwickeln.

 

Innerhalb von Akt 2a steigt die Spannung mehr oder weniger stetig an (es gibt keine lineare Steigerung, sondern eine, die sich in leichten Wellen nach oben bewegt). Alles, was hier geschieht, muss die Story voranbringen. Verfolgt eine Szene oder eine Figur nicht den Zweck, die Geschichte auf ihren Höhepunkt zu treiben, tröpfelt die Spannung vor sich hin und der Leser verliert das Interesse an den Figuren.

Akt 2b (Spiegelmoment und Black Moment):

Ca. bei der Hälfte des Buchs erfolgt eine Attacke des Antagonisten bzw. ein verschlimmerndes Ereignis, das der Figur vor Augen führt, wie ernst die Lage ist (z. B. durch einen Plot-Twist oder den Tod einer Nebenfigur, die dem Protagonisten nahesteht). Der bisherige Plan, mit dem zentralen Konflikt umzugehen, wird zerschlagen. Damit erhöht sich die Spannung rapide. Ab jetzt muss der Held aktiv werden, anstatt nur hilflos zuzusehen.

 

Meist wird sich der Protagonist zu diesem Zeitpunkt seines Fehlverhaltens/seiner Blindheit bewusst und erkennt: Wenn ich mich jetzt nicht verändere, werde ich sterben/anderes Worst-Case-Szenario. Dieser Moment wird auch Spiegelmoment genannt: Der Held reflektiert seine Entwicklung seit Beginn der Geschichte und erkennt sich selbst kaum wieder. Er akzeptiert, wer er eigentlich sein sollte und in welche Richtung er sich entwickeln muss, wenngleich er noch nicht genau weiß, wie er das anstellen soll.

 

Akt 2b ist durch schwere Entscheidungen geprägt, die die Hauptfigur treffen muss, während sie sich nahezu unlösbaren Herausforderungen stellt. Jede Handlung und jeder Gedanke drängen zum Endziel hin. Nach ca. 75 % des Buches erfolgt die zweite Attacke des Antagonisten bzw. ein Ereignis, das die Charaktere unvorhergesehen in den sog. Black Moment stürzt: Alles scheint verloren und das Ziel in unerreichbarer Ferne. Das Schlimmste, was passieren könnte, passiert und die Handlung eskaliert.

Akt 3 (Höhepunkt und Schluss):

Auf dem Höhepunkt der Geschichte (ca. den letzten 25-30 % des Buchs) befindet sich die Spannung auf ihrem Höhepunkt. Da die Gefahr nun am größten ist, gibt es auch keine Verzögerungen in der Handlung mehr, sondern alles geschieht „Schlag auf Schlag“. Der Protagonist findet sich im absoluten Schlamassel wieder und ist gezwungen, über sich selbst hinauszuwachsen, um den Antagonisten zur Strecke zu bringen (z. B. den Mörder oder Bösewicht zu stellen oder endlich seine Liebe zu gestehen).

 

Mithilfe seiner Mentoren und Freunde, manchmal auch auf sich allein gestellt, schmiedet er den finalen Plan, der ihn auf direktem Weg in die finale Schlacht bzw. zum Gipfel des zentralen Konflikts führt. Gleichzeitig wird er nun endlich zu der Person, die er schon immer sein sollte und geht dem nach, was er wirklich braucht.

 

Ist der Antagonist besiegt/der zentrale Konflikt gelöst, erleben wir einen raschen Abfall der Spannung. Die einzelnen Handlungsstränge der Geschichte haben zusammengefunden, das Rätsel ist gelöst oder das Liebespaar vereint. Hierbei ist es wichtig, dass der Leser das Gefühl bekommt: Ja klar, genau darauf lief alles hinaus! Die Auflösung darf also nicht vollkommen überraschend und aus der Luft gegriffen sein.

Der Schluss (das letzte Kapitel/der Epilog) zeigt das „neue“ Leben des Protagonisten, also jenes, das er sich im Lauf der Geschichte erarbeitet hat. Freunde, die er auf seiner Reise kennengelernt hat, sind nun fester Bestandteil seines Alltags, vielleicht wird er für seine Tat geehrt oder führt eine glückliche Beziehung. Dein Roman kann ein Happy End enthalten oder aber realistisch bis negativ ausgehen, je nachdem welchen Schluss die Geschichte erfordert. Schreibst du eine Serie oder Reihe, solltest du hier einen Cliffhanger einbauen, der auf eine neue drohende Gefahr hinweist und neugierig auf den nächsten Band macht.

Die Tipps zum Spannungsbogen stammen aus meinem E-Book Plotten & Lektorieren DIY – Wie du deinen Roman strukturiert plottest und selbst lektorierst. Hier lernst du:

🌿dir Handlungsstränge auszudenken und sie strukturiert auszuarbeiten.

🌿authentische Charaktere zu erschaffen.

🌿dich trotz Prokrastination zum Schreiben zu motivieren.

🌿deine Zielgruppe festzulegen.

🌿deinen Roman Schritt für Schritt auf ein professionelles Lektorat vorzubereiten (damit es effektiver & günstiger ausfällt).

Plotten & Lektorieren DIY - Wie du deinen Roman strukturiert plottest und selbst lektorierst

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